Dropshipping ohne Bullshit-Bingo – seriös denken
Kaum ein Thema im E-Commerce wird so aggressiv beworben wie Dropshipping. In vielen Werbeanzeigen klingt es, als würdest du ohne Kapital, ohne Risiko und praktisch ohne Arbeit ein „automatisiertes“ Einkommen aufbauen. Die Realität ist deutlich komplexer.
Dieser Text soll dir keinen Traum verkaufen, sondern dir helfen einzuschätzen, wann Dropshipping sinnvoll sein kann – und wann du lieber die Finger davon lassen solltest.
1. Was Dropshipping eigentlich ist
Beim klassischen Dropshipping verkaufst du ein Produkt, das du selbst nicht auf Lager hast. Stattdessen leitest du die Bestellung an einen Lieferanten weiter, der das Paket direkt an deine Kundschaft verschickt. Du bleibst aber der Vertragspartner der Kunden mit allen Pflichten.
Wichtig dabei:
- Du bist gegenüber den Kund:innen verantwortlich, nicht der Lieferant.
- Reklamationen, Rücksendungen und Support landen bei dir.
- Rechtliche Vorgaben gelten genauso wie beim „normalen“ Versandhandel.
2. Was in vielen Werbeversprechen fehlt
In typischen Werbeanzeigen tauchen bestimmte Aspekte selten auf:
- Lieferzeiten von mehreren Wochen, wenn aus Drittstaaten versendet wird
- Schwankende Qualität und Verpackung beim Lieferanten
- Hohe Retourenquoten bei unzufriedenen Kunden
- Gebühren für Zahlungsanbieter, Marktplätze und ggf. Zoll/Steuern
- Marketingkosten, um überhaupt Besucher auf deine Angebote zu bringen
All das frisst Marge – und kann aus „theoretisch hochprofitabel“ sehr schnell „praktisch kaum noch rentabel“ machen.
3. Wo Dropshipping sinnvoll sein kann
Trotz aller Risiken gibt es Szenarien, in denen Dropshipping sinnvoll eingesetzt werden kann, zum Beispiel:
- Zum Testen neuer Produkte, bevor du größere Mengen einkaufst
- Für ergänzende Sortimente, die du nicht selbst auf Lager nehmen möchtest
- In klaren Nischen, in denen du echten Mehrwert bietest (z. B. Beratung, Content)
- Wenn du mit seriösen, gut erreichbaren Lieferanten arbeitest, idealerweise innerhalb der EU
Je enger du mit deinem Lieferanten zusammenarbeitest und je transparenter Prozesse sind, desto eher kannst du Kundenerwartungen realistisch erfüllen.
4. Lieferanten & Qualität einschätzen
Gerade bei Dropshipping entscheidet die Qualität deiner Lieferanten über deinen Ruf. Ein paar Punkte, auf die du achten kannst:
- Testbestellungen durchführen, bevor du „richtig“ loslegst
- Reaktionszeit im Support prüfen (E-Mail, Chat, Telefon)
- Klare Vereinbarungen zu Lieferzeiten und Verpackung
- Transparenz über Lagerstandort und Versanddienstleister
Denke auch daran, dass du personenbezogene Daten deiner Kund:innen an den Lieferanten weitergibst. Stichwort Datenschutz: Prüfe, ob das in dein Konzept passt und welche Vereinbarungen ggf. nötig sind. Im Zweifel Fachleute fragen.
5. Zahlen realistisch durchrechnen
Bevor du dich von Screenshots mit hohen Umsätzen beeindrucken lässt, solltest du deine eigene Kalkulation machen. Typische Kostenblöcke im Dropshipping sind z. B.:
- Einkaufspreis beim Lieferanten
- Versandkosten (ggf. je Land unterschiedlich)
- Gebühren von Shop, Zahlungsanbietern und Marktplätzen
- Werbekosten (z. B. Meta Ads, Google Ads, Influencer)
- Rücksendungen, Reklamationen und ggf. Kulanzleistungen
- Steuern, Buchhaltung, Tools
Wenn du diese Punkte ehrlich einrechnest, siehst du schnell, ob ein Produkt wirklich Potenzial hat – oder nur auf dem Papier spannend aussieht.
6. Warnsignale bei Angeboten & Coachings
Wenn dir jemand Dropshipping verkaufen will, achte auf typische Warnsignale:
- „Jeder kann in wenigen Wochen finanziell frei werden“
- Kein Wort über Rücksendungen, Steuern oder rechtliche Themen
- Verkaufsdruck („nur heute“, „nur noch wenige Plätze“)
- Keine transparenten, nachvollziehbaren Zahlen und Beispiele
Das heißt nicht, dass jedes Coaching unseriös ist – aber du solltest sehr genau hinschauen, wem du Geld und Zeit anvertraust.
7. Dropshipping als Baustein – nicht als Religion
Dropshipping kann ein Baustein in deinem E-Commerce-Modell sein – muss es aber nicht. Es ist keine Religion und kein Zwang. Für manche Produkte und Geschäftsmodelle ist klassischer Warenbezug deutlich sinnvoller und stabiler.
Wichtig ist, dass du eine informierte Entscheidung triffst und dir nicht einreden lässt, es gäbe nur den einen „geheimen Weg“ zum Erfolg.
In der VisionEcom Community tauschen wir uns offen über Erfahrungen mit Dropshipping aus – positive wie negative. Ohne Bullshit-Bingo, dafür mit ehrlichen Einblicken und Fokus auf langfristige Strategien.